»Yellowface« von Rebecca F. Kuang

25.3.24

June Hayward und Athena Liu könnten beide aufstrebende Stars der Literaturszene sein. Doch während die chinesisch-amerikanische Autorin Athena für ihre Romane gefeiert wird, fristet June ein Dasein im Abseits. Niemand interessiert sich für Geschichten "ganz normaler" weißer Mädchen, so sieht es June zumindest. Als June Zeugin wird, wie Athena bei einem Unfall stirbt, stiehlt sie im Affekt Athenas neuestes, gerade vollendetes Manuskript, einen Roman über die Heldentaten chinesischer Arbeiter während des Ersten Weltkriegs. June überarbeitet das Werk und veröffentlicht es unter ihrem neuen Künstlernamen Juniper Song. Denn verdient es dieses Stück Geschichte nicht, erzählt zu werden, und zwar egal von wem? Aber nun muss June ihr Geheimnis hüten. Und herausfinden, wie weit sie dafür gehen will. 

Rezension 

June Hayward und Star-Autorin Athena Liu feiern gemeinsam die Vertragsunterzeichnung zwischen Athena und dem Streaming-Giganten Netflix. Athena und June sind gut Freundinnen, doch während Athena einen Erfolg nach dem anderen feiert, schafft es June nicht aus dem Schatten ihrer Freundin. Denn niemand schein sich für die Geschichten einer normalen amerikanischen Autorin zu interessieren. Athena, eine chinesisch-amerikanische Autorin feierte gleich mit ihrem Debüt einen unglaublichen Erfolg und avancierte zu einem Star der Branche.

Junes Beschreibungen ihrer Freundin, lassen kein gutes Haar an Athena. Sie nimmt ihren Erfolg als hingegeben an, zeigt kein Interesse an ihren Mitmenschen und Kollegen und scheint mehr von sich selbst eingenommen zu sein. Kein sympathischer Zeitgenosse. Nachdem Athena bei einem Unfall stirbt und June Zeugin des Vorfalls ist, schnappt sie sich im Affekt Athenas vor kurzem beendetes Manuskript mit dem Titel Die letzte Front. Das Manuskript, ist eine Geschichten über einen chinesischem Arbeiterkorps zu Zeiten des ersten Weltkrieges. Athenas Schreibprozess mutet altmodisch, fast schon romantisch an. Sie hielt ihre Ideen klassisch mit Stift und Papier fest und schrieb ihre Manuskripte auf einer Remington-Schreibmaschine. June nimmt sich des Manuskripts an, überarbeitet den teils fragmentarischen Text und veröffentlicht es später unter dem Pseudonym Juniper Song. Ein Name mit asiatischem Klang. Die Literaturagenten und Verleger sind sprachlos und voller Euphorie von Junes neuestem Werk. Denn Junes Debüt hat es nicht auf die Bestsellerlisten geschafft und stand in keiner Weise als Konkurrenz zu Athenas Werken.

June schießt auf den obersten Rang der Bestsellerlisten. Sie verdient mehrere hunderttausende Dollar und gibt ihre Lehrtätigkeit im kreativen Schreiben auf. Sie gibt Lesungen vor ausverkauften Publikum und ist weit im Land gefragt. Besonders bei den chinesischen Einwohnern des Landes. Schnell wird klar, dass June keine gebürtige Asiatin ist. Wo Ruhm ist, da sind Neider nicht weit und in Zeiten von Sozialen Netzwerken lauern auch Trolle um jede Ecke. Diese Erfahrung macht auch June. Im Netz werden schnell Stimmen laut, die die Originalität von Junes Buch anzweifeln und sie des Plagiats bezichtigen. Es werden Stimmen zu kultureller Aneignung laut. Darf eine weiße Person über asiatische Geschichte schreiben? June verstrickt sich immer mehr in einem Netz aus Lügen und vertieft sich so sehr darin, bis sie diese selbst glaubt. So sehr, dass sie zeitweise psychisch zu zerbrechen scheint und den Geist Athenas halluziniert. Junes Intention war es, Die letzte Front für Athena zu veröffentlichen. Denn diese Geschichte verdient es gelesen zu werden. Durch die Anschuldigungen werden auch Zweifel im Verlag laut und Junes neu gewonnene Freunde wenden sich von ihr ab und Junes Paranoia ebbt nicht ab. Die Situation läuft aus dem Ruder. Die Situation spitzt sich zu. Ihre Feinde wiegen sich in Sicherheit, doch June hat ihren Kampf noch lange nicht aufgegeben. Sie sieht ein, dass es kein Zurück gibt.

Nachdem ich letztes Jahr von Babel von Rebecca F. Kuang sehr angetan war, war mir klar, dass ich auch Yellowface lesen muss. Yellowface ist ein satirischer, spitzzüngiger Roman über die Sonnen- und Schattenseiten der Verlagswelt. Über Ruhm und Reichtum, Neid und Hass. Sie zeigt die übertriebene Macht der Wokeness in den Sozialen Netzwerken und deren Konsequenzen im realen Leben auf. Was darf man heutzutage noch sagen, schreiben, aufführen? Wo fängt kulturelle Aneignung an und wo hört sie auf? Kann man jede auf den Schlipps getretene Minderheit zufriedenstellen? 

Der Schreibstil in Yellowface unterscheidet sich sehr von dem im Babel. Wo beim letzteren fast schon poetisch mit der Sprache umgegangen wurde, ist Yellowface in einem alltäglichen unserer Zeit entsprechendem Stil geschrieben. Das störte mich überhaupt nicht, da es gut zur Geschichte gepasst hat. Womit ich mich beim Lesen des Buches schwergetan habe, war die Nutzung einer Genderneutralen Sprache. Es gab Absätze im Buch, aus denen ich beim Lesen von :innen nicht mehr herauskam und bei dessen Wörtern ich immer wieder ins Stolpern geriet. Für mehrere Momente wurde ich aus dem Lesefluss und der Geschichte gerissen. Was ich schade finde. Ich weiß nicht, ob der Verlag sich ausprobieren wollte, um das Buch bei der sensibilisierten Zielgruppe schmackhaft zu machen oder ob die Genderneutralen Bezeichnungen als Stilelement genutzt wurden, um dem Buch und dem darin angesprochenen Thema der Wokeness eine tiefere Ebene zu verpassen. Wie dem auch sei. Ich habe das Buch nach dem dritten :innen, für einige Zeit zur Seite gelegt und war kurz davor, das Buch für beendet zu erklären. Doch fand ich das der Geschichte an sich nicht fair gegenüber und ich habe mich daran gewöhnt die neutralen Bezeichnungen einfach zu überlesen. Zum Glück, denn diese Geschichte verdient es ebenfalls gelesen zu werden.

Rebecca F. Kuang hat mit Yellowface ein mitreißendes Buch geschrieben, dass den Leser, sofern er sich mit der neutralen Übersetzung zurechtfindet, erst auf der letzten Seite wieder loslässt. Ein satirischer Roman der einem Thriller gleicht. Ein Roman über Hass, Neid, Diskriminierung, kultureller Aneignung und vieles mehr. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt. Eine Geschichte, die man gelesen haben sollte.

Verlag: Eichborn / Seiten: 383 / Genre: Spannung / Einband: Hardcover / Übersetzer: Jasmin Humburg / Preis: 24,00 Euro  (D) / ISBN: 978-3-8479-0162-4 / Yellowface von Rebecca F. Kunag kaufen*

Das könnte dir auch gefallen:

2 comments

  1. Hi Nico,
    danke für deinen Besuch bei mir. ☺️
    "Babel" ist jetzt auch bei mir eingezogen. Ich bin gespannt, wie es mir nach "Yellowface" gefällt. Gerade, weil die Sprache so anders ist, wie du schreibst.
    Liebe Grüße
    Marie

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Nico, ich lese es demnächst und bin schon sehr gespannt, nachdem ich so viele begeisterte Rezensionen gelesen habe!

    Zeilentänzerin

    AntwortenLöschen

Folge mir auf Trusted Blogs

Bild
Blogverzeichnis Bloggerei.de - Literaturblogs